SEED

Emotionale Entwicklungsstufen und Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit geistiger Behinderung – Anwendung im pädagogischen Alltag

Seit gut 20 Jahren verdichten sich die Hinweise in der psychiatrisch-heilpädagogischen Arbeit und wissenschaftlichen Forschung, dass Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit Intelligenzminderung weniger im Zusammenhang mit dem Grad der kognitiven Beeinträchtigung zu sehen sind, als vielmehr mit der Stufe der emotionalen Reife, die die jeweilige Person in ihrer Entwicklung erreicht hat. Dies deckt sich mit der alltäglichen Erfahrung, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten Verbote oder Regeln zwar oft kennen, aber das Handeln in der Alltagssituation nur schwer an diesem Wissen ausrichten können. Vorschnell kommt es dann zu Fehlinterpretationen, dass es der Person „einfach am ernsthaften Willen mangle“ oder sie mit ihrem auffälligen Verhalten „nur die Aufmerksamkeit anderer erreichen wolle“. Dass die Person in diesem Moment aber nicht anders handeln kann, sich vielleicht sogar in einer existenziellen Not befindet und nicht in der Lage ist, ihr Tun moralisch einzuordnen, wird meist nicht erkannt und pädagogische Maßnahmen oder Konzepte greifen somit ins Leere.

Aus der emotionalen Entwicklungsstufe, die ein Mensch erreicht hat, kann jedoch schlüssig abgeleitet werden, welche Nöte und Bedürfnisse dem auffälligen Verhalten einer Person zugrunde liegen und wie diese Erkenntnisse in der pädagogischen Begleitung Berücksichtigung finden können. Die Anwendung dieses Konzeptes für Menschen mit Lernschwierigkeiten geht auf Anton Došen zurück und wurde von Tanja Sappok und Sabine Zepperitz aufgegriffen und weiterentwickelt. Im Rahmen einer europaweiten Initiative wurde ein einheitliches Erhebungsinstrument zur Einschätzung des emotionalen Entwicklungsstandes ausgearbeitet (SEED: Skala der Emotionalen Entwicklung – Diagnostik; SED: Scale of Emotional Development). 

SEED Trainingsinhalte

Unsere 2-tägige Fortbildung will versuchen, Mitarbeiter:innen der Behindertenhilfe in allen Qualifikationsebenen und auch Berufsanfänger:innen das Konzept der emotionalen Entwicklung näher zu bringen und die Teilnehmenden für eine entwicklungspsychologisch fundierte Sichtweise von Verhaltensauffälligkeiten zu gewinnen. Denn das Konzept der emotionalen Reife stellt eine unverzichtbare Brücke zwischen Symptomatik, Diagnostik, Milieugestaltung und konkreten Maßnahmen in der Alltagsbegleitung dar. Die Kenntnis davon vertieft das Verständnis für Verhalten allgemein und für Verhaltensauffälligkeiten im Besonderen.

Die 6+1-tägige Ausbildung möchte Mitarbeiter:innen der Behindertenhilfe mit Berufserfahrung für den Umgang mit diesem Assessment-Instrument qualifizieren und sie in die Grundzüge des entwicklungspsychologischen und systemischen Arbeitens einführen.

SEED bieten wir auf unserer Fortbildungsplattform fobiport, als Inhouse Seminar oder in Zusammenarbeit mit diversen Fortbildungsinstituten mit folgenden Bausteinen an:

2-tägige Fortbildung („Einführung in das Konzept der emotionalen Entwicklung

Die Fortbildung findet im Präsenzformat statt. Dabei sind sowohl Inhouse-Fortbildungen, als auch Veranstaltungen in unserem Fortbildungshaus möglich (siehe Veranstaltungstermine). Ein Online-Format gibt es zu dieser Fortbildung nicht.

Wesentliche Inhalte dieser Fortbildung sind:

1.Grundlagen und Fallbeispiele

Es werden die Grundlagen des Konzeptes der emotionalen Entwicklung dargestellt und anhand vieler Fallbeispiele und Videos praktisch veranschaulicht.

2. Emotionale Reife und Verhaltensauffälligkeiten

Ebenfalls anhand von Fallbeispielen wird der Zusammenhang von emotionaler Reife und Verhaltensauffälligkeiten erläutert

3. Wie funktioniert der SEED-Bogen?

Zwar sollen die Teilnehmer des 2-tägigen Kurses keine eigenen Erhebungen und Auswertungen mit SEED-Bogen selbstverantwortlich durchführen, aber sie sollen an Erhebungen durch die Teams teilnehmen und ein Grundverständnis für das Assessmentinstrument haben.

4. … und dann?

Im letzten Schritt erfolgt dann die Umsetzung der Erhebungsergebnisse in die Praxis des Betreuungsalltags. Welche entwicklungspsychologischen Grundkonzepte hinter diesem Prozess stecken, soll anhand von Fallbeispielen erfahrbar gemacht werden.

Ausbildung 6+1 Tage („Ausbildung für SEED-Anwender:innen“)

Diese Ausbildung ist auf dem Prinzip des „Blended Learning“ aufgebaut. Sie verbindet Kurstage in Präsenzform, Online-Formate und Lernaufgaben mit Online-Supervisionen. Dabei kann ein Teil der Präsenzveranstaltungen je nach Covid-19-Bedingungen auch auf Online-Format umgestellt werden.

Wesentliche Inhalte dieser Fortbildung sind:
  1. Grundlagen: Es wird Basiswissen zur Entwicklungspsychologie vermittelt sowie der Aufbau des Konzeptes der emotionalen Entwicklung erläutert und auf die besonderen Entwicklungsaspekte von Menschen mit Lernschwierigkeiten übertragen.
  2. Verhaltensauffälligkeiten: Anhand vieler Fallbeispiele werden die Grundlagen von Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Mehrfachbehinderungen erläutert und der Umgang mit verschiedenen Erhebungs- und Dokumentations-Instrumenten vermittelt (z.B. FAST-D, MOAS-D, ABC-Bogen, 31-TD)
  3. Einschätzungsskala (SEED): Die Ermittlung der emotionalen Reife erfolgt anhand der neuen, europaweit vereinheitlichten Skala der Emotionalen Entwicklung-Diagnostik (SEED). Sie wird systematisch erarbeitet, diskutiert und ihre Anwendung praktisch eingeübt. Speziell formulierte Indexfälle des Arbeitskreises „Networks of Europeans on Emotional Development“ (NEED) helfen dabei die eigenen Einschätzungen zu überprüfen.
  4. Systemisches Arbeiten: In diesem speziellen Teil wird das Konzept der emotionalen Entwicklung mit dem systemischen Ansatz in Theorie und Praxis verknüpft und an Fallbeispielen erprobt.
  5. Praktische Umsetzung der Ergebnisse: Die Ableitung von milieugestalterischen und unmittelbar pädagogischen Maßnahmen wird exemplarisch erlernt, selbständig eingeübt und die erarbeiteten Ergebnisse supervidiert.
  6. Lern- und Erkundungsaufgaben: Zwischen den einzelnen Kursteilen werden den Teilnehmenden Aufgaben gestellt, die sie eigenständig zu erarbeiten haben. Eine Supervision bzw. eine Beratung erfolgt zwischen den Kursteilen in zwei halben Online-Beratungstagen.
  7. Auffrischung und Reflexion: Ein halbes Jahr nach Teil 5 (siehe unten) erfolgt nochmals ein Online-Tag, bei dem neue Aspekte der Entwicklung des SEED-Konzeptes vorgestellt werden und eine ausführliche Beratung der Kursteilnehmer:innen bezüglich ihrer eigenen praktischen Erfahrung im Umgang mit dem SEED-Bogen stattfindet. Wie bereits im 5. Teil wird von den Teilnehmenden ein Indexfall eingeschätzt, wodurch jeder/jede seine/ihre eigene Sicherheit im Umgang mit dem Erhebungsinstrument überprüfen kann.
Zusammenfassung des Ablaufs:
Teil 1:

Grundlagen
2 Tage Präsenzveranstaltung (kann eventuell Covid-19-bedingt in ein Online-Format umgewandelt werden)

Teil 2:

Austausch und Beratung
½ Online-Beratungstag

Teil 3:

Systemisches Arbeiten und Beratung
1 Tag Präsenzveranstaltung (kann eventuell Covid-19bedingt in ein Online-Format umgewandelt werden)

Teil 4:

Austausch und Beratung
½ Online-Beratungstag

Teil 5:

Indexfall und Maßnahmen
2 Tage Präsenzveranstaltung (kann im Ausnahmefall dann als Onlineformat angeboten werden, wenn der Teil 1 in Präsenzform stattgefunden hat); Abschlussveranstaltung

Teil 6:

Auffrischung, Beratung und Fallerarbeitung
1 Tag Online